Über die Alpen bis zum Gardasee – Mein Fahrradabenteuer

Radfahrer überquert die Alpen mit seinem Gravelbike auf einer Solo-Bikepacking-Tour zum Gardasee.

Von Fernando Borja

Wo der Sommer endet und das Abenteuer beginnt

Es gibt Reisen, über die man nicht lange nachdenkt – man spürt sie einfach und macht sie.

Meine begann am 30. September 2025, genau in dem Moment, in dem sich der europäische Sommer verabschiedete.

Mein Ziel war einfach – und zugleich riesig: die Alpen von Bayern bis zum Gardasee mit dem Fahrrad zu überqueren, ganz allein, im Bikepacking-Stil.

Die Idee hatte mich schon lange begleitet. Ich wollte mich selbst herausfordern, die Berge auf eine neue Weise erleben und die Freiheit spüren, ohne von jemandem abhängig zu sein.

Vorbereitung: Die Wissenschaft des Minimalismus

Mein Gefährt war mein Carbon-Gravelbike von Canyon – leicht, schnell und perfekt für gemischtes Terrain.

Die Herausforderung war, nur das Nötigste mitzunehmen: eine minimalistische Ausrüstung, die Effizienz und Unabhängigkeit vereint.

Satteltasche, Rahmentasche, ein kleines Zelt, Schlafsack, etwas Kleidung und das Nötigste, um fünf Tage allein zwischen Bergen zu überstehen.

Jedes Gramm zählte – in den Alpen verzeiht das Gewicht keine Fehler.

Zur Routenplanung nutzte ich Komoot, um Wege zu finden, die Asphalt und Gravel-Passagen kombinierten – immer fahrbar, aber mit Abenteuerfaktor.

Die Tour startete in Bad Tölz im Süden Bayerns, folgte dem Lauf der Isar und führte über die Grenze nach Österreich ins beeindruckende Ötztal.

Auf dem Weg zum Himmel: Der Himmelhoch-Pass

Das Ötztal ist atemberaubend – fast 95 % der Strecke führen über Radwege, die sich zwischen Bergen, alpinen Dörfern und grünen Wiesen schlängeln.

Doch seine Schönheit hat ihren Preis: Am Ende des Tals wartete die größte Herausforderung der Tour – der Himmelhoch-Pass auf 2.500 Metern Höhe.

An diesem Tag brauchte ich alles: Beine, Kopf und Herz.

Die Steigung war brutal, die Luft eisig und die Temperatur kaum über dem Gefrierpunkt.

Manche Abschnitte waren verschneit, und der Wind peitschte unbarmherzig.

Es war ein stiller Kampf, Tritt für Tritt, mit müdem Körper, aber klarem Geist.

​Und dann, als ich den Gipfel überquerte, veränderte sich die Welt.

Die Luft wurde wärmer, der Schnee blieb hinter mir, und die Abfahrt nach Italien war pure Euphorie: Kurven, Geschwindigkeit, Freiheit.

Vom alpinen Frost zur Wärme Südtirols

Im südlichen Teil Tirols änderte sich das Klima völlig.

Die Sonne kam zurück, die Landschaft war voller Apfelplantagen, und die Dörfer dufteten nach frisch gebackenem Brot.

Ich fuhr durch sanfte Täler, über Hügel und Pässe, diesmal mit einem Lächeln im Gesicht.

Am vierten Tag stand der Gambero-Pass an – etwa 1.800 Meter hoch, aber deutlich freundlicher.

Ich konnte jede Pedalumdrehung genießen.

Drei Nächte verbrachte ich im Zelt, zwei in kleinen Hotels – dann, wenn die Müdigkeit oder die Uhrzeit keine andere Wahl ließen.

Ein Abendessen, Sandalen und ein langes Tischtuch

Eine dieser Nächte landete ich zufällig in einem kleinen italienischen Boutique-Hotel.

Ich kam hungrig im Restaurant an – und trug Sandalen, weil ich keine anderen Schuhe dabeihatte.

Der Besitzer schaute mich überrascht an, und ich musste lachend erklären:

„Es tut mir leid, ich bin mit dem Fahrrad unterwegs und habe keine anderen Schuhe!“

Ich setzte mich an einen Tisch mit langem Tischtuch – damit man meine Sandalen nicht sah –

und genoss ein fantastisches Abendessen, zubereitet von der Frau des Besitzers.

Ein einfacher, aber unvergesslicher Moment voller Dankbarkeit und Freude.

Die letzte Etappe: Die Belohnung

Am fünften Tag wurde der Weg flacher, fast nur noch bergab.

Ich fuhr ruhig, ließ den Wind die Arbeit übernehmen.

Insgesamt waren es 400 Kilometer in fünf Tagen – eine intensive, fordernde und zutiefst lohnende Reise.

Als ich schließlich den Gardasee sah, konnte ich es kaum glauben.

Das blaue Wasser, die Sonne hinter den Bergen, und ich dort, neben meinem Fahrrad –

wissend, dass ich es geschafft hatte.

In Torbole traf ich meinen Freund Moritz, der gerade bei der Internationalen Drachenklasse-Meisterschaft segelte.

Gemeinsam mit ihm und Johannes fuhr ich im Transporter zurück nach Bayern – mit einem Lächeln, das einfach nicht verschwinden wollte.

Schlussgedanke

Die Reise von den Alpen bis zum Gardasee war weit mehr als nur eine Tour:

Sie war ein Test der Ausdauer, ein Akt der Freiheit und ein Gespräch mit mir selbst.

Ich kam mit müden Muskeln, aber mit einem klaren Kopf zurück.

Denn beim Radfahren – wie im Leben – lernt man, dass jeder sein eigenes Tempo finden muss.

Ich denke schon an das nächste Mal, im Frühling – leichter, besser vorbereitet,

aber mit derselben Begeisterung.

Wir sehen uns auf dem Weg.

​— Fernando Borja

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